AllgemeinPressestimmen

Premieren-Presse-Echo

Fehlt der Strick, tut’s der Schlips

Von Gregor Ries

PFARRER-KABARETT Babenhäuser Duo mit neuem Programm „Judas hätte sich erhängt“ unterwegs

FRANKFURT – Mit ihrem zwölften Programm „Judas hätte sich erhängt“ beweisen Hans-Joachim Greifenstein und Claus-Jochen Herrmann einmal mehr, dass sie mit dem „Ersten Allgemeinen Babenhäuser Pfarrer-Kabarett“ feste Größen in der Kleinkunstszene sind. Ihre Mischung macht’s: In der ausverkauften Frankfurter Bühne „Die Käs“ begeisterten sie mit Themen zwischen Theologie, Philosophie und hessischem Gebabbel samt Seitenhieben auf Medien, Politik und Sport.

Das Reformationsjubiläum ist relativ rasch abgehandelt, indem Greifenstein und Herrmann über Martin Luther als meistverkaufte Playmobil-Figur flachsen und sich über die millionenfachen Internet-Clicks zur evangelischen Kirche wundern. Da habe der Protestantismus doch plötzlich die katholische Kirche an Beliebtheit überflügelt. Dennoch hoffen beide, dass der Hype bald zu Ende sein möge.

Den Übergang zum Titel schafft Clajo Herrmann in seinen beiden Solonummer mit zerlesener Bibel in der Hand, wobei er eine scharfe Verknüpfung von Judas’ Verrat und der Habgier mancher Manager herstellt. Ihnen empfiehlt er die suizidale Zweckentfremdung ihrer Krawatte. Von hier aus ist der Schritt nicht mehr weit zur Kreation neuer makaberer Playmobil-Figuren zum Aufhängen am Autorückspiegel.

Angesichts einer egoistischen Moral nach dem Motto „Nimm die Kohle und hau ab“ wünscht sich Greifenstein manchen Manager zur Umerziehung in den Kindergarten zurück. Bis zur Grundschule seien die Kleinsten noch relativ unverdorben. Doch ein TV-Schirm in jedem Kinderzimmer mache sie mit der zwiespältigen Moral von RTL 2 und Co. vertraut, was mit dem Respektverlust vor Autoritäten einhergehe.

Im grauen Kittel als evangelischer Gemeindehausmeister agiert Greifenstein dieses Mal etwas zurückhaltender, aber nicht weniger bissig als gewohnt. Zum Thema Verfall von Essgewohnheiten greift er ein Motiv aus Clajo Herrmanns Soloprogramm „In de Kurv’ gradaus!“ auf: Früher verzehrte man Brote mit dicker Butterschicht und dem „hessischen Triathlon“ aus Blut-, Leber- und Fleischwurst. Heute erhalte man wabbelige, in Cellophan verpackte Brötchen, die schon beim bloßen Anblick zerfallen.

Zwischen Zwiegesprächen und Solonummern flechtet das Duo immer wieder Details der eigenen Biografie ein. Der in Seligenstadt aufgewachsene Greifenstein etwa verknüpft Nachbarschaftsrivalitäten zu Zellhausen mit dem prähistorischen Feindverhalten in der Steinzeit. Nach zwanzig Jahren Bühnenerfahrung bleibt beim Babenhäuser Pfarrer-Kabarett alles beim Alten. Das ist einmal eine gute Nachricht. Hohe Pointendichte und schelmisch-sarkastischer Witz sitzen aktuell wie in der Frühzeit des bestens eingespielten Gespanns.

Darmstädter Echo, 19.10.2017

(Gregor Ries kennt uns schon wirklich gaaaaanz lange.
Wir bedanken uns ganz herzlich für diese Treue und das gute Journalistenhandwerk in all den Jahren!)

 

„Warum ist  der Mensch so ein Depp?

(von Melanie Pollinger)
Ist die Welt noch zu retten? Gibt es eine Ära nach Trump und eine Zeit, in der Rechtspopulist Gauland auf der Demenz-Station nach seiner syrischen Krankenschwester schreien wird? Einer zumindest glaubt fest daran: Clajo Herrmann, die eine Hälfte des 1. Allgemeinen Babenhäuser Pfarrer(!)kabaretts. Er und Hans-Joachim Greifenstein hatten jede Menge frohe und weniger frohe Botschaften bei der Premiere ihres Programms »Judas hätte sich erhängt« im Hofgartenkabarett.
Wie auf der Achterbahn konnte sich das Publikum im restlos ausverkauften Haus am Freitagabend fühlen. Im Affenzahn ging es durch 500 Jahre Reformationsgeschichte, die nun in der weltweit meistverkauften Playmobilfigur gipfelt: ein ziemlich hässlicher Plastik-Martin-Luther zum Zusammenstecken. Herrmann griff auch noch fleißig zur Bibel und hinein in den »Drecksackfaktor«, der zurück bis an den Anfang der Welt und des Wortes reicht. Mit Adam und Eva, den unfähigen Eltern »eines Mörders und eines Opfers«, möchte wohl keiner zusammen im Elternbeirat sitzen, mutmaßte der Pfarrer außer Dienst.
»Patri-Arsch« Abraham, Streuner und Lustmolch König David, sein geschniegelter Umstürzler-Sohn Absalom, dessen aalglatter Berater Ahitofel: Nicht anders als im heutigen Oval Office sei es in alttestamentarischen Zeiten zugegangen, meinte Herrmann. Von der Selbstreinigungskraft des »Uffhängens« hätten leider nur Typen, die sich tatsächlich schämten, zum Beispiel Judas, Gebrauch gemacht.
Am interessantesten war allerdings die Frage: Warum ist der moderne Mensch so ein Depp? »Knapp macht Depp – Knappheitsangst macht Menschen blöd«, brachte Herrmann eine mögliche Erklärung auf den Nenner. Sie reiche zurück in die Steinzeit, als der männliche Tunnelblick und die spätere Begleiterscheinung »Wutverstopfung« in der DNA festgeschrieben wurden.
Herrmann zeigte den Weg vom »Indoornazi« auf der Couch vor dem Fernseher zur allmählichen »Tetzlaffisierung« der bundesdeutschen Öffentlichkeit nach. Früher habe man das Ekel Alfred nur aus dem Fernsehen gekannt. Nun begegne man ihm in zehntausenfacher Klon-Ausfertigung landauf landab.
Greifenstein wusste, wo der Fehler liegt: Die im Kindergarten erreichte moralische Stufe könne in späteren Jahren nicht mehr gehalten werden. Dabei hätten Vorschulkinder das Wichtigste fürs Leben bereits intus: »Nimm keinem was fort! Hau keinem auf die Fratze! Räum deinen Kram auf!« Spätestens in der Mittelstufe lerne der mit Handy ausgestattete junge Mensch dann: »Sei doch nicht blöd!« und »Lass dich nicht erwischen.«
Greifenstein war rührend in seiner Nostalgie nach Kinderzeiten, in denen es »Woschtebrote« mit fünf Zentimeter Cholesterin drauf und als Zwischenmahlzeit Haferflocken mit Milch und löffelweise Kakao gab. Sicher hat ihm das Kraft bis heute gegeben, denn der folgende Wutausbruch gegen all die Schlips-und-Anzug-Gangster, Lobbyisten und Cum-Ex-Betrüger hatte biblische Wucht. »Ich würd‘ se gern zur Straf‘ all mitnanner noch dreimal in de Kinnergadde schicke!«

„Main-Echo“ 16.10.2017

 

„Nach dem Brexit auch aus dem Vaterunser raus?“

(von Carina Dobra)
……“Sie haben wieder zugeschlagen. Wie gewohnt mit voller Wucht. Das Pfarrerduo Clajo Herrmann und Hans-Joachim Greifenstein wettert gegen die Kirche, gegen die AfD, gegen Trump und gegen Playmobilfiguren m Luther-Look…….Alles in allem ein gekonntes Gemisch aus Flachsinn aber auch Feinsinn für unsere moderne Steinzeit-Gesellschaft und die aktuelle politische (Schief)-Lage. Vielleicht gibt es nur die eine Lösung das Übel in Form von Trump und Co zu ertragen: lachen. Und zwar ganz viel. Und wenn auch das nicht mehr hilft, dann eben doch ein paar bunte Krawatten unter dem Weihnachtsbaum.“

Evangelische Sonntags-Zeitung, 22.10.2017